Welche Bedürfnisse können Shopping Center heute noch erfüllen? Wie müssen sie sich positionieren, um für ihre Zielgruppen bedeutsam zu werden? Unser CEO Christian Krpoun berät seit über 15 Jahren Shopping Center-Betreiber bei der Gestaltung ihrer Kommunikationsstrategien und spricht im currynews-Interview zum Schwerpunktthema Handel über kommunikative Herausforderungen und Chancen.
Sie sind seit über 15 Jahren als Strategie- und Kommunikationsberater von Shopping Center-Betreibern tätig. Was hat sich Ihrer Meinung nach in dieser Zeit am stärksten gewandelt?
Christian Krpoun: „Im Kern erfüllen Einkaufszentren nach wie vor das Bedürfnis, das zu ihrer Entstehung geführt hat: Alles, was man braucht, unter einem Dach kaufen zu können. Es geht hier also um das Thema Convenience. Das war bis zum Jahr 1995 die größte Stärke der Center. Seit der globalen Präsenz von Amazon und der darauf folgenden Explosion des E-Commerce ist dieser Mehrwert weg. Kein Center kann mit der Vielfalt am globalen Marktplatz im Internet mithalten – auch der beste Shopmix ändert das nicht. Die durch eine neue Technologie geborene Konkurrenz hat jedoch Defizite, die dem stationären Einzelhandel und besonders Shopping Centern neue Chancen bieten. Es wird sich auch zeigen, wie aktuelle Entwicklungen wie das Thema Sprachsteuerung beziehungsweise Voice- oder Chatbots den Druck der Shopping-Digitalisierung auf die Center weiter erhöhen.“
Warum besuchen Menschen angesichts des riesigen Online-Angebots überhaupt noch Einkaufszentren?
„Das frage ich mich bei manchen Centern tatsächlich auch manchmal. Aber Spaß beiseite: Ich bin der Meinung, dass Einkaufszentren für uns Menschen Funktionen erfüllen können, die wichtig und bedeutsam sind. Die Face-to-Face Beratung im stationären Einzelhandel kann durch nichts ersetzt werden – vorausgesetzt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verstehen es, zu Kunden Beziehungen herzustellen und damit die emotionale Komponente abzudecken. Zugleich sind Einkaufszentren auch Orte der Befriedigung von Neugier und der Erfüllung von Sehnsüchten, Orte der Kommunikation und der Unterhaltung. Und das Spannende daran ist, dass die Bedeutsamkeit eines Einkaufszentrums für fast jede und jeden von uns eine andere ist. Als Betreiber hat man deshalb aus meiner Sicht einen der schönsten aber auch kompliziertesten Jobs der Welt: Man kann einen Mikrokosmos erschaffen, in dem sich Menschen wohl fühlen und mit dem sie Werte, Gefühle und die Erfüllung eines Versprechens in Verbindung bringen.“
Wieso ist ein Center für jeden anders? Bietet ein Einkaufszentrum nicht allen Besuchern das gleiche?
„Das Angebot ist für alle gleich, aber für einzelne Menschen oder Gruppen von unterschiedlicher Bedeutsamkeit. Ein Beispiel: Für viele Familien ist der Ausflug ins Einkaufszentrum ein Highlight an fast jedem Wochenende, das wie ein Ritual gepflegt wird. Das Abenteuer beginnt schon bei der gemeinsamen Anfahrt ins Center oder sogar in Gesprächen an den Tagen davor. Man gönnt sich dann den kleinen Luxus vom Bummel durchs Einkaufszentrum und entdeckt gemeinsam, was es Neues gibt. Auch der sich vom eigenen Zuhause unterscheidende Komfort wird gern genutzt: Unterhaltungs-Stationen mit interaktiven Spielen, eine Kinderwelt zum Austoben, Cafés mit richtig gutem Cappuccino, eine Pizzeria mit Steinofen. Man genießt diese Annehmlichkeiten im Alltag und verbringt Zeit miteinander. In einem Online-Shop sucht man ein solches Erlebnis vergeblich – dort stehen Bewertungen und Preisvergleiche im Vordergrund. Niemand berät dich persönlich, ob dir ein Kleidungsstück gut steht oder ob die Schuhe zur Hose passen oder nicht. In Branchen wie der Parfümerie sind mit dem POS vergleichbare Online-Kauferlebnisse de facto noch gar nicht möglich.“
Aber es kommen ja nicht nur Familien oder Zweiergruppen in Einkaufszentren. Wo ist der Mehrwert, wenn ich alleine unterwegs bin?
„Das stimmt natürlich. Andere Zielgruppen haben ein völlig anderes Verhalten und auch andere Beweggründe, um in ein Center zu gehen. Wir haben Menschen beobachtet, die kommen fast jeden Tag für eine Stunde, schauen nur und kaufen gar nichts. Und wie aus heiterem Himmel findet dann ein Besuch statt, bei dem von A bis Z alles gekauft wird, was man in den letzten Wochen lediglich betrachtet hat. Besonders junge und ältere Menschen kommen auch ins Center, weil sie dort Gleichgesinnte treffen und sozialen Anschluss finden. Für viele, die ganz alleine in ein Center gehen und auch mit niemandem sprechen wollen, ist der Besuch trotzdem ein soziales Erlebnis, weil man in einem Center eben nie alleine ist. Es gibt wahrscheinlich hunderte, ja tausende Beweggründe, warum Menschen in Einkaufszentren gehen, aber alle haben mit der Befriedigung von Neugier, der Erfüllung von Sehnsüchten, Kommunikationserlebnissen oder Unterhaltungsbedürfnissen zu tun. Diese vier Punkte – die in Kombination miteinander am besten greifen – sind das strategische Quadrat, rund um das jede Centermarke aufgebaut ist.“
Die Service-Angebote sind in vielen Centern identisch und wenn es etwas im Center A gibt, dann dauert es meist kein Jahr, bis es auch in den Centern B bis Z umgesetzt ist. Wie kann man sich unter diesen Rahmenbedingungen als Center-Betreiber von der stationären Konkurrenz und vom Onlinehandel differenzieren?
„Natürlich ist der Shopmix neben der geografischen Lage und der Verkehrsanbindung der wichtigste Erfolgsfaktor. Den Shopmix kann man kontinuierlich verbessern oder den sich wandelnden Besucherwünschen immer wieder anpassen. Ein weiterer zentraler Erfolgsfaktor ist das eigentliche Center-Erlebnis, das sich aus vielen, vielen kleinen Details zusammensetzt. Das beginnt bei der Anfahrt, den Parkplätzen, einem intelligenten Leitsystem, der Lichtgestaltung, den verarbeiteten Materialien im Center, der Dekoration, strategisch gesetzten Verweilorten, den Sanitäranlagen, einem ganzen Strauß an Services und natürlich der durch Kommunikationsmaßnahmen aufgeladenen Center-Marke und ihrem Versprechen. Wer die SCS, die Shopping City Süd, nach dem Umbau kennt, weiß, wovon ich spreche. Auch wir bei currycom beschäftigen uns sehr intensiv damit, was Center anziehend macht und wie sie zum „Lifestyle Hub“ werden können. So durften wir zum Beispiel im Sommer ein sehr großes Refurbishment-Projekt im City Center Amstetten abschließen, das uns bei laufendem Betrieb knapp eineinhalb Jahre von der Beratung zum Interior Design bis hin zur Eröffnungs-PR und einem dreitägigen Event gefordert hat. IG Immobilien, die Betreiberin des Centers, ist langjährige Vorreiterin bei innovativen Services oder auch bei der Zusammenarbeit mit den Shop-Mietern, die hier ebenfalls ganz entscheidend ist.“
Worauf müssen sich Einkaufszentren in Zukunft einstellen? Welche Herausforderungen und Trends prognostizieren Sie?
„Der Online-Handel wird sein Einkaufserlebnis durch neue Technologien wie Sprachsteuerung oder auch Live-Chats immer weiter emotionalisieren. Heute sind wir noch in einer Experimentierphase, was diese Tools betrifft und natürlich holt das noch nicht die Massen ab. Aber wir werden erleben, wie die intelligente Technologie immer zentraler in unser Leben rückt. Das wird den stationären Einzelhandel weiterhin Marktanteile kosten – zumindest in Branchen, in denen das haptische oder olfaktorische Erlebnis nicht im Zentrum der Kaufentscheidung steht. Ich denke, dass sich in vielen Branchen Omni-Channel-Konzepte durchsetzen werden. Ich kann online oder offline bestellen oder kaufen, geliefert wird in eine Filiale oder direkt nach Hause. Wenn ich dann etwas umtauschen will, kann ich das auch wiederum in beiden Welten machen. Shopping Center-Betreiber haben mit dem allen noch nichts zu tun – sie verkaufen ja selbst keine Waren, sondern gestalten Architektur und Infrastruktur, vermieten Flächen und arbeiten an der Center-Marke. Zukunftsansätze, an die ich persönlich glaube, sind Live-Erlebnisse im Center, die sich in der digitalen Welt fortsetzen oder auch dort erlebbar werden – Stichworte dabei sind Live-Broadcasting, Video und Social Media. Besonders relevant scheinen mir in diesem Zusammenhang auch die PR als Treiber für bedeutsame Inhalte. Storytelling ist in aller Munde – doch ich bin überzeugt, dass sich Erfolge nur dann einstellen werden, wenn wir die Menschen Teil der Geschichte werden lassen. Denn im Endeffekt geht es doch immer darum, ob etwas für die Besucherinnen und Besuchern in einem Center bedeutsam ist oder nicht. Dazu braucht es vor allem Mut zur Kreativität und die Bereitschaft, sich immer weiterzuentwickeln.“
[Das Interview wurde im Oktober 2017 mit dem currycom Newsletter-Redaktionsteam geführt.]
currycom communications ist eine der führenden österreichischen Kommunikationsagenturen mit Fokus auf gesamtheitliche Beratung sowie hochwertige Umsetzung. 2003 gegründet, ist die Wiener Kommunikationsagentur mit den Schwerpunkten Public Relations, Marketing und Live Communications auch Affiliate Partner des internationalen PR-Netzwerks Edelman und Träger des Österreichischen PR-Gütezeichens.
Referenzen im Bereich Shopping Center: Lead-Agentur SCS 2003-2009, Lead-Agentur City Center Amstetten seit 2003, Eröffnung und Betreuung Stadion Center 2006-2014, Eröffnung inkl. Marketing- und PR-Konzept des „Westgate“ bei Zagreb (größtes Einkaufszentrum Kroatiens) 2009, Lead-Agentur der Rosenarcade Tulln seit 2010 (siehe auch Referenzen).